Solidarität - mehr als nur 'helfen'?
Ein bekanntes Beispiel für Barmherzigkeit in der Bibel ist die Geschichte des Barmherzigen Samariters, in der ein Samariter einem Mann am Wegesrand hilft, während andere vorbeigehen.
Doch was bedeutet eigentlich gelebte Solidarität? Worum geht es? Ein Blick in die Bibel zeigt, wie vielschichtig dieser Begriff zu verstehen ist.
In Gemeinschaft Sorgen und Freude teilen
Apostelgeschichte 2,43-47: In der Apostelgeschichte wird beschrieben, wie die frühe christliche Gemeinde in Jerusalem lebte: Die Gläubigen waren vereint, teilten alles miteinander, unterstützten sich gegenseitig und lobten Gott.
"Sie verkauften Hab und Gut und teilten davon allen zu, jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Lauterkeit des Herzens."
Hier werden zwei Aspekte benannt:
- Solidarität umfasst wirtschaftliche Aspekte, in dem Falle das Teilen von Hab und Gut.
- Solidarität hat zudem eine soziale Funktion, da in der Gemeinschaft gelebt und geteilt wird.
Diese Bibelstelle zeigt: Eigentum verpflichtet. Wer mehr hat, sollte diejenigen unterstützen, die wirtschaftlich oder sozial benachteiligt sind.
Solidarität - eine Aufforderung zur Handlung
1. Johannes 3,17-18: "Wenn jemand die Güter dieser Welt hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Liebe Gottes in ihm bleiben? Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit."
Solidarität geht über das Reden hinaus und stellt das aktive Handeln in den Mittelpunkt. Auf das Handeln kommt es an.
"Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." (Mt 25,40)
Jesus erfährt selber Solidarität in jedem Menschen, dem Zuwendung zuteil wird.
Experiment: Sich einfach mal die Frage stellen, was ist, wenn mein Gegenüber Jesus ist? Ändert sich etwas für mich?
… denn es könnte Jesus sein!
Jeden respektieren und achten
Philipper 2,3-4: "Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen."
An dieser Stelle zeigt sich, dass Solidarität auch alle anderen (egal wen!) zu respektieren bedeutet.
Ganz zentral ist die Menschenwürde: jeder Person soll sie auf gleiche Weise zuteilwerden.
Für Paulus bedeutet Solidarität, sich mit anderen verbunden zu fühlen und ihre Lasten mitzutragen. In der Gemeinschaft füreinander da zu sein und sich gegenseitig zu stärken ist seine zentrale Forderung. Dabei sollte sich ein jeder dennoch nicht selbst aus dem Blick verlieren.
Solidarität sprengt Grenzen … kennt sie erst gar nicht!
Lukas 10,25-37 (Barmherziger Samariter): Der Priester und der Levit gehen vorbei, während der Samariter stehen bleibt und hilft.
Die maßgebende Unterscheidung in dieser Bibelstelle ist nicht die Herkunft oder Identität, sondern 'hilft' und 'hilft nicht'.
Der Samariter überschreitet seine kulturellen und geschichtlichen Schranken. Er hilft dem Mann.
Damit handelt er nicht innerhalb der eigenen Gemeinschaft, denn seine Tat dient dem Gemeinwohl und kann somit als Solidarität verstanden werden.
Solidarität kennt demnach keine Grenzen zwischen den Menschen.
Solidarität ist anstrengend und bedarf Mut, …
… aber wenigstens ist man nicht allein!
Exodus 3-4: In Ex 3 begegnet Mose Gott im brennenden Dornbusch, wo Gott ihm den Auftrag gibt, die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei zu führen. Mose fällt es nicht leicht diesen Auftrag anzunehmen, da er sich unsicher und der Aufgabe nicht gewachsen fühlt.
Gott weiß, dass Mose sich mit dem Sprechen unsicher fühlt und stellt ihm Aaron an die Seite.
"Ist nicht dein Bruder Aaron, der Levit, dein Sprecher? Ich weiß, dass er gut reden kann. Und siehe, er wird herauskommen, dir entgegen, und wenn er dich sieht, wird er sich von Herzen freuen."
Es ist nicht an Mose alleine, die große Aufgabe zu meistern. Gott stellt ihm jemanden an die Seite, der genau das übernehmen kann, was Mose nicht so gut liegt: das Sprechen.
Jede:r nutzt im solidarischen Handeln das, was ihm:ihr gut liegt. Jede:r trägt das bei, was er:sie gut kann. Man könnte sagen, es liegt den Menschen im Blut.
Im Team handeln Mose und Aaron solidarisch und führen die Israeliten aus Ägypten.
Auch in Galater 6,2 heißt es "Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.".
Solidarität in der Bibel - eine Moralkeule?
Solidarität wird in der Bibel als Ausdruck der Liebe von Gott zu den Menschen und auch unter den Menschen dargestellt.
Gott sagt 'ich bin, der ich bin da' und gehe den Weg, den ihr mitgehen könnt. Seine Botschaft ist ein Heilsangebot. Dieses (liebevolle) Angebot ist keine Pflichtaufgabe, vielmehr eine Möglichkeit die Liebe Gottes (zu den Menschen) in Taten und Worten sichtbar zu machen.
Es kann als eine Einladung von Gott an den Menschen verstanden werden, die Welt ein bisschen liebevoller zu machen.
Quellen:
Kirchenamt der EKD: Das Prinzip der Solidarität steht auf dem Spiel (2010), URL: https://www.ekd.de/ekdtext_110_2.htm.
Moltmann, Jürgen: Über Geduld, Barmherzigkeit und Solidarität, Gütersloh 2018.
Rebmann, Michael: Finanzkooperative. Die Geld-Revolution aus der WG-Küche, URL: https://goodnews-for-you.de/finanzkooperative-die-geld-revolution-aus-der-wg-kueche/.
Stiftung Orte der Deutschen Demokratiegeschichte: Brücke der Solidarität, URL: https://www.demokratie-geschichte.de/karte/6560.
Gilles, Beate (Hrsg.): Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar. Erklärung der deutschen Bischöfe (2024).